Orgeln

Steingaden, Wieskirche, Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland (Winterhalter 2010, III/42)

Die Gründung der Kirche geht auf eine Wallfahrt 1739 zurück. Sie entstand aus der Verehrung einer Statue des gegeißelten Heilands, die 1730 von Pater Magnus Straub und Bruder Lukas Schweiger im oberbayerischen Kloster Steingaden angefertigt wurde. Die Statue wurde 1732-1734 bei der Karfreitags-Prozession des Klosters mitgetragen, kam aber 1738 in den Privatbesitz eines Bauern auf der Wies, dem Ort des Sommer- und Erholungsheims des Klosters einige Kilometer südöstlich des Ortes. Am 14. Juni 1738 bemerkte die Bäuerin Maria Lory in den Augen der Figur einige Tropfen, die sie für Tränen hielt. Im folgenden Jahr führten Gebetserhörungen und kleinere Wallfahrten zum Bildnis des Heilands zum Bau einer kleinen Feldkapelle. 1744 wurde die Erlaubnis eingeholt, in der Kapelle die Messe zu lesen, womit die Wallfahrten den offiziellen Segen der Kirche erhielten.

Die heutige Wieskirche wurde von 1745 bis 1754 von den Brüdern Johann Baptist und Dominikus Zimmermann unter der Leitung von Abt Marinus II. Mayer im Stil des Rokoko erbaut. Der Bau brachte das Kloster Steingaden in große finanzielle Schwierigkeiten, denn die Baukosten stiegen von den veranschlagten 39.000 fl. auf 180.000 fl. Zusammen mit anderen Verpflichtungen führte das zu einer finanziellen Gesamtbelastung, von der sich das Kloster bis zu seiner Auflösung während der Säkularisation im Jahre 1803 nie mehr ganz erholte. Die in diesem Zuge eingesetzte Lokal-Kommission sprach sich aber – gegen wirtschaftliche Bedenken des Steingadener Abts – ausdrücklich für die Weiterführung der Wallfahrt in der Wies aus.

Die Orgel geht zurück auf eine zweimanualige Schleifladenorgel mit 23 Registern, die 1757 von Johann Georg Hörterich mit mechanischer Spieltraktur und wahrscheinlich mit einer kurzen Oktave erbaut worden war. Dieses Werk wurde 1927 von der Orgelbaufirma Willibald Siemann durch das neu erbaute Opus 441 ersetzt, welches mit zwei Manualen und 27 Registern entsprechend dem damaligen Zeitgeschmack eine pneumatische Traktur hatte. Um den erweiterten Pfeifenbestand unterzubringen, wurden die Gehäuse der Rückpositive nach hinten verlängert. 1959 erbaute Gerhard Schmid aus Kaufbeuren in dem historischen Rokoko-Gehäuse von Dominikus Zimmermann ein neues, dreimanualiges Instrument mit 43 Registern auf Schleifladen, mit mechanischer Spieltraktur und pneumatischer Registertraktur. Hinzugefügt wurde im Unterbau des Hauptgehäuses ein Schwellwerk. Ebenfalls neu erbaut wurde ein moderner Spieltisch. Aus der historischen Orgel von 1757 wurden etwa 600 Pfeifen übernommen sowie einige Register, die die Fa. Siemann 1927 hinzugefügt hatte. Mit diesem Neubau näherte man sich tendenziell stilistisch wieder der Barockzeit. 2010 wurde bei Orgelbaumeister Claudius Winterhalter ein Neubau in Auftrag gegeben, da weder ein Umbau der Schmid-Orgel noch eine Rekonstruktion des ursprünglichen Instruments in Frage kam. Bei der Planungsphase ergab sich, dass einige historische Orgelteile wie das veränderte, reich intarsierte Spieltischgehäuse und ein Karton mit Pfeifen der Hörterich-Orgel, die quasi einen „Dachbodenfund“ darstellten, aus dem Besitz von Gunnar Schmid einbezogen werden konnten. In Summe wurden daher sowohl 475 Pfeifen aus der ehemaligen Hörterich-Orgel wie auch 41 Pfeifen von Siemann in das Konzept der neuen Wies-Orgel eingebunden. Das Zimmermann- sowie das historische Spieltischgehäuse von 1757 wurden restauriert und ergänzt, um einen modernen, mit zeitgemäßen Abmessungen versehenen, als auch einen zierlichen Spieltisch zu erhalten. Durch die neue Disposition erhielt die Orgel wieder eine süddeutsche Klangcharakteristik, die moderat mit anderen stilistischen Elementen erweitert ist, um den liturgischen Ansprüchen und dem modernen Konzertbetrieb zu genügen.

I. Hauptwerk C – g3
Bourdon . . . . . . . . . . . 16'
Principal . . . . . . . . . . . . 8'
Holzflöte . . . . . . . . . . . . 8'
Gedackt . . . . . . . . . . . .  8'
Gamba . . . . . . . . . . . . .  8'
Octav . . . . . . . . . . . . . .  4'
Flöte . . . . . . . . . . . . . . . 4'
Fugara . . . . . . . . . . . . . 4'
Quinte . . . . . . . . . .  2 2⁄3'
Superoctave . . . . . . . . 2'
Mixtur 5-6f. . . . . . . . . . 2'
Hörnle 3f. . . . . . . .  2 2⁄3'
Trompete . . . . . . . . . .  8'

II. Positiv C – g3
Coppel major . . . . . . .  8'
Quintatön . . . . . . . . . .  8'
Principal . . . . . . . . . . . . 4'
Coppel minor . . . . . . .  4'
Octave . . . . . . . . . . . . .  2'
Quinte . . . . . . . . . .  1 1⁄3'
Cimbel 4f. . . . . . . . . . . . 1'
Vox humana . . . . . . . . . 8'
Tremulant

III. Echo (schwellbar) C – g3
Principal . . . . . . . . . . . .  8'
Rohrflöte . . . . . . . . . . . . 8'
Salicional . . . . . . . . . . . . 8'
Bifara . . . . . . . . . . . . . . . 8'
Octave . . . . . . . . . . . . . . 4'
Spitzflöte . . . . . . . . . . . . 4'
Nasard . . . . . . . . . . . 2 2⁄3'
Flageolet . . . . . . . . . . . .  2'
Terz . . . . . . . . . . . . . . 1 3⁄5'
Mixtur 4-5f. . . . . . . . .1 1⁄3'
Trompette . . . . . . . . . . .  8'
Oboe . . . . . . . . . . . . . . . . 8'
Clairon . . . . . . . . . . . . . .  4'
Tremulant

Pedal C – f1
Principal . . . . . . . . . . . . 16'
Subbass . . . . . . . . . . . . 16'
Octavbass . . . . . . . . . . .  8'
Violonbass . . . . . . . . . . . 8'
Quintbass . . . . . . . .  5 1⁄3'
Mixturbass 5f. . . . . . . . . 4'
Posaune . . . . . . . . . . . . 16'
Trompete . . . . . . . . . . . . 8'

Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
Glockenspiel, 2 Tremulanten; Schwelltritt, Setzeranlage; Spieltraktur mechanisch, Registertraktur mechanisch und elektrisch

Siehe auch www.wieskirche.de/de/die-orgel.html.